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Archive des Aktivismus: Schweizer Trotzkist*innen im Kalten Krieg
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Christian Futter

Solidarität zu Zeiten des Algerienkriegs

Als politische und private Akteure entwickelten die Schweizer Trotzkist*innen früh ein Interesse an den algerischen Unabhängigkeitsbestrebungen der 1950er Jahre. Während der acht Jahre anhaltenden Kampfhandlungen unterstützten sie diese nach Möglichkeiten.

In den 1950er Jahren befand sich das ehemals gigantische französische Kolonialreich im Zerfall. Nach den verlustreichen Jahren des Zweiten Weltkrieges war Frankreich weder militärisch noch ökonomisch in der Lage, seine Kolonien zu erhalten. In Điên Biên Phû verlor es im Frühjahr 1954 seinen wichtigsten kolonialen Einfluss in Südostasien. Als sich die französischen Truppen aus dieser Region zurückzogen, zeichnete sich in der Mittelmeerregion bereits der nächste Konflikt ab. In der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, die unter der Kontrolle des Mouvement pour le triomphe des libertés démocratiques (MTLD) und dessen Gründer, dem Vordenker des algerischen Nationalismus, Messali Hadj, stand, kam es zu dramatischen internen Auseinandersetzungen. Diplomatisch agierende Unabhängigkeitsbefürworter*innen wie Hadj standen Aktivist*innen gegenüber, welche einen Unabhängigkeitskrieg guthiessen. Diese Streitigkeiten führten zu einer Spaltung des MTLD: Mit dem Ziel, Algerien als Nationalstaat aus der über hundertjährigen Kolonialherrschaft Frankreichs zu führen, gründeten Befürworter*innen des bewaffneten Kampfes das politisch unabhängige Aktionskomitee Front de Libération Nationale (FLN) und lancierten den »Befreiungskampf« am 1. November 1954 mit einer Serie von Bombenanschlägen in Algerien.

Etliche kleinere algerische Parteien waren ebenfalls bestrebt, ihren Einfluss zu vergrössern, und griffen in den sich entwickelnden Machtkampf ein. In der Folge sollten sie jedoch alle entweder zu Grunde gehen oder in die FLN integriert werden. Als einzige echte inneralgerische Konkurrentin etablierte sich um den im MTLD entmachteten Messali Hadj die neu gegründete Partei Mouvement National Algérien (MNA). Zwischen der FLN und der MNA, den beiden Kontrahentinnen um die Vertretung des algerischen Volkes, entbrannte in der Folge ein blutiger Konflikt. Die Auseinandersetzungen beschränkten sich dabei nicht allein auf die algerischen Gebiete; innerhalb eines Jahres wütete der Krieg auch auf dem französischen Festland in voller Härte. Beide Parteien strebten in Frankreich mittels einer Kampagne aus Einschüchterungen und Gewaltakten danach, die finanzielle Unterstützung der algerischen Arbeiter*innen in Frankreich für sich zu sichern.

Dieser als »Café-Krieg« bezeichnete Nebenschauplatz des Konfliktes – sogenannt aufgrund der vielen Anschläge auf Cafés in Frankreich – forderte ungefähr 5000 Tote und wurde hauptsächlich zwischen den beiden algerischen Gewerkschaften geführt: der UGTA (Union Générale des Travailleurs Algériens), welche mit der FLN affiliiert war, und der USTA (Union Syndicale des Travailleurs Algériens), die der MNA angehörte. Beide Gewerkschaften sammelten unter ihren Mitgliedern Gelder, um die Kampfhandlungen der jeweiligen Partei und deren militärischen Verbände zu finanzieren. Während Frankreich in dieser Frühphase des Krieges erst allmählich die Signifikanz des algerischen Aufstandes realisierte, versank die Unabhängigkeitsbewegung selbst immer mehr in internen Auseinandersetzungen. Auch die Schweiz bekam die Auswirkungen zu spüren, da sie aufgrund ihrer geografischen Nähe zu Frankreich und durch den französischsprachigen Landesteil als Rückzugsort für die von Frankreich verfolgten Algerier*innen diente. Besonders Genf, welches eine Vielzahl an internationalen Organisationen beherbergte, wurde von algerischen Widerstandskämpfer*innen frequentiert.1

Abb. 1: Die beiden Schweizer Trotzkisten Walter Kern (links) und Heinrich Buchbinder, hier vermutlich an einer Friedensdemonstration 1963, pflegten enge Kontakte mit dem algerischen Widerstand und waren zentrale Figuren der Algerien-Solidarität in der Schweiz.

Der Algerienkrieg, in dem sich das Streben einer Nation nach Dekolonisation und Unabhängigkeit äusserte, weckte das Interesse diverser politischer Organisationen. Auch die Schweizer Trotzkist*innen unterstützten gemäss ihrer politischen Überzeugung die Unabhängigkeitsbewegung schon früh – während des Kriegsverlaufes allerdings in unterschiedlicher Intensität. Die Schweizer Trotzkist*innen, die damals unter anderem im Sozialistischen Arbeiterbund (SAB) organisiert und teilweise Mitglieder der IV. Internationale waren, sahen sich in der Tradition von Trotzkis oppositioneller Haltung gegenüber der stalinistischen Bürokratisierung der Sowjetunion. Durch die politische Ablehnung des Imperialismus – die Trotzkist*innen sahen die westlichen Kolonialreiche als Überbleibsel des Finanzimperialismus des 19. Jahrhunderts – und aufgrund des Postulats des Internationalismus, engagierten sie sich zugunsten der algerischen Rebell*innen.2

Zeitgleich initiierte auch der Polizeidienst der schweizerischen Staatsanwaltschaft, im Folgenden als »Bundespolizei« bezeichnet, die Überwachung der in der Schweiz lebenden algerischen Aktivist*innen. Dabei wurden im Namen des schweizerischen Staatsschutzes nicht nur die Algerier*innen, sondern auch die sie unterstützenden aktivistischen Netzwerke observiert. Die heute einsehbaren Dokumente des Staatschutzes können deshalb als Quellen dienen, um die Aktivitäten der Schweizer Trotzkist*innen im Zusammenhang mit der algerischen Unabhängigkeitsbewegung zu rekonstruieren.3 Zudem sind Schriften der trotzkistischen Aktivist*innen – oft in Form von Zeitungsartikeln – Zeugnisse ihrer Auseinandersetzung mit dem Krieg beziehungsweise ihrer Solidarität mit dem algerischen Widerstand.

Im Folgenden wird anhand der archivierten Dokumente, einiger Personennachlässe, sowie der Fichen der Bundespolizei gezeigt, wie Schweizer Trotzkist*innen jeweils unterschiedlich in den Algerienkonflikt involviert waren. Dabei sollen die Sichtweisen der politischen Überwacher*innen und die Schilderungen der Überwachten miteinander verbunden und deren Interaktionen beleuchtet werden. Dadurch ergibt sich das Bild solidarischer Unterstützung, welche die Trotzkist*innen teilweise unter grossen Gefahren geleistet haben.

Auch die Schweiz bekam die Auswirkungen des Algerienkriegs zu spüren.

Der Algerienkrieg und die Schweizer Trotzkist*innen

Die frühe Auseinandersetzung der Schweizer Trotzkist*innen mit dem Krieg in Algerien ist bemerkenswert, weil der Krieg sowohl im Grossteil der Schweizer Presse wie auch im politischen Diskurs praktisch ignoriert wurde. Das offizielle Frankreich selbst erkannte erst in den 1990er Jahren an, dass es sich bei den Auseinandersetzungen rund um die Unabhängigkeit Algeriens überhaupt um einen Krieg gehandelt hatte. Die Aufarbeitung setzte dementsprechend spät ein und gestaltet sich auch heute durch teilweise noch immer verschlossene Archive als schwierig.4 Die Ursachen für die grosse Einsatzbereitschaft der Trotzkist*innen für das Thema Algerien können somit nicht restlos aufgeklärt werden. Vieles deutet aber darauf hin, dass das intensive Engagement von Beginn des Aufstandes an aufgrund von persönlichen Beziehungen zustande gekommen war.

In den 1950er Jahren gab es eine weitreichende internationale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen, vor allem in Europa aktiven, trotzkistischen Organisationen. Gerade die schweizerischen und die französischen Trotzkist*innen standen rege in Korrespondenz und persönlichem Austausch.5 Durch die Aktivitäten innerhalb der Arbeiterschaft waren die französischen Aktivist*innen der trotzkistischen Parti Communiste Internationaliste (PCI) mit der grossen Anzahl an Arbeiter*innen algerischer Herkunft in Kontakt gekommen. Vor allem die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den französischen Trotzkist*innen und algerischen Aktivist*innen scheinen ein wesentlicher Faktor dafür gewesen zu sein, dass der Algerien-Konflikt bei den Schweizer Trotzkist*innen eine derart hohe Bedeutung erhielt.

Nachdem sich die PCI 1952 über die Frage des Verhältnisses zur Parti Communiste Français (PCF) gespalten hatte, existierten fortan zwei trotzkistische Parteien in Frankreich, die sich PCI nannten, und die auch jeweils die entgegengesetzte Seite im FLN-MNA-Konflikt unterstützten. Die Schweizer Trotzkist*innen pflegten enge Kontakte mit derjenigen PCI, die von Pierre Boussel (alias Pierre Lambert) angeführt wurde und die MNA unterstützte. Sie übernahmen denn auch deren Positionierung, und propagierten diese über ihr eigenes redaktionelles Organ, Das Arbeiterwort.6

Abb. 2: Der Algerienkrieg wurde in der Schweizer Öffentlichkeit lange kaum beachtet. Unter anderem durch das Enagement der Schweizer Trotzkist*innen etablierte sich in linken Kreisen eine Solidaritätsbewegung, die versuchte, das »Schweigen zu brechen«. Artikel in einer Gewerkschaftszeitung.

Die Beziehungen zu ihren französischen Genoss*innen waren aber nicht der einzige Grund dafür, dass sich die Schweizer Trotzkist*innen umfangreich in der Algerien-Thematik engagierten. Da die politische Führung des SAB immer nur aus wenigen Personen bestand, erhielten die Erfahrungen und Anschauungen einzelner Mitglieder starkes Gewicht. So entwickelte sich das SAB-Mitglied Walter Kern, der auf privaten Reisen schon früh verschiedene Kontakte nach Algerien aufgenommen hatte, zu einer treibenden Kraft. Kern baute bereits Jahre vor dem Krieg freundschaftliche Beziehungen in Algerien auf, und zwar spezifisch im Umfeld der späteren MNA. 1949 gelang es ihm auf seiner ersten Algerienreise, Kontakt mit Messali Hadj aufzunehmen und mit ihm eine Diskussion über ein unabhängiges Algerien zu führen.7 Über Algerien und von den Erlebnissen seiner Reisen berichtete Kern nicht nur im Arbeiterwort, sondern er schrieb auch für die Zeitung der Gewerkschaft VPOD, Der öffentliche Dienst.8

Die Nähe der PCI zur MNA und die persönlichen Beziehungen Kerns trugen entscheidend dazu bei, dass in der Berichterstattung über Algerien im trotzkistischen Arbeiterwort die MNA in den ersten Jahren dominierte. Doch auch unabhängig von den direkten Kontakten zwischen den Organisationen passten die ideologischen Überlegungen der MNA, welche sich besonders zu Kriegsbeginn durch sozialistisches Gedankengut und einen Willen zur Agrarreform auszeichneten, gut zu den politischen Überzeugungen der Schweizer Trotzkist*innen. Der Konflikt in Algerien wurde im Arbeiterwort als Chance gesehen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stagnierende sozialistische Bewegung im Westen neu zu beleben.9 Der Konflikt wurde zudem von Beginn an als der Versuch eines kolonial unterdrückten Volkes gewürdigt, den Imperialismus zu besiegen – und dementsprechend als »Krieg« bezeichnet. Dies war keinesfalls üblich in der öffentlichen Debatte. Der überwiegende Teil der medialen Berichterstattung spiegelte die Position der französischen Behörden wider, die den Konflikt als Aufstand algerischer Banditen darstellten.10

Der überwiegende Teil der medialen Berichterstattung spiegelte die Position der französischen Behörden wider, die den Konflikt als Aufstand algerischer Banditen darstellten.

Praktische Unterstützung in der Schweiz

Vemittelt durch die Kontakte zu den französischen Genoss*innen der IV. Internationale besuchte 1956 erstmals ein Mitglied der MNA, Moulay Merbah, die Trotzkisten Heinrich Buchbinder und Walter Kern in der Schweiz. Merbah war einer der bedeutendsten Anhänger von Messali Hadj und hatte eine wichtige Position in der MNA inne. In Frankreich wurde er per Haftbefehl gesucht. Die vorhandenen Akten belegen, dass die in der Schweiz operierende Zelle des MNA vollständig von Merbah kontrolliert wurde.11 Obwohl er als politischer Flüchtling in der Schweiz das Versprechen hatte ablegen müssen, alle politischen Aktivitäten einzustellen, agitierte er weiterhin für die Sache der MNA.

Merbah knüpfte Kontakte zu Heinrich Buchbinder, Jost von Steiger und Walter Kern, die versuchten, die MNA-Aktivist*innen in der Schweiz sporadisch zu unterstützen und sie vor der staatlichen Überwachung abzuschirmen. Sie stellten ihnen Unterkünfte bereit, hielten als »Briefkästen« Kommunikationswege offen und boten finanzielle Unterstützung. Doch sollten diese Tätigkeiten dem Staatsschutz nicht unbemerkt bleiben. Wahrscheinlich rückten genau diese Treffen mit Merbah die Schweizer Trotzkisten Buchbinder, von Steiger und Kern in den Fokus der Bundespolizei.12 Merbah lernte sie gemäss den Fichen wahrscheinlich am 9. und 11. Mai 1956 bei Treffen in Restaurants kennen; die Kontaktaufnahme erfolgte durch die Vermittlung eines französischen Trotzkisten.13

Die politische Überwachung dieser drei Schweizer Trotzkisten im Zusammenhang mit dem Algerienkrieg begann mit diesen Treffen. In den folgenden Monaten wurden diverse Zusammenkünfte Buchbinders mit verschiedenen Algeriern registriert, die allesamt mit der MNA affiliiert waren. Wie Moulay Merbah wurden viele von ihnen in Frankreich gesucht und hielten sich oft in der Schweiz auf, um so weiterhin politischen Einfluss ausüben zu können.14

Abb. 3: Die Aktivitäten der Schweizer Trotzkist*innen, insbesondere im Bezug auf ihre Kontakte zum algerischen Widerstand, wurden von der Bundespolizei streng überwacht. Heute lassen sich Teile ihrer praktischen Solidaritätsarbeit anhand der Überwachungsdokumente rekonstruieren. Ausschnitt aus der Fiche von Heinrich Buchbinder.

Im Juli 1956 wurde die Überwachung verschärft; die Bundespolizei ordnete eine Telefon- und Briefkontrolle der Schweizer Trotzkisten an. Zeitgleich mehrten sich bei der Bundespolizei die aus Frankreich stammenden Hinweise, dass die auf schweizerischem Boden agierenden Algerier*innen zusammen mit den Trotzkist*innen mehrere Anschläge auf französische Vertretungen in der Schweiz und im nahen Ausland planen würden. Die Bundespolizei initiierte daraufhin den umfangreichsten Eingriff, der im Zuge dieser Überwachung stattfinden sollte. Sie durchsuchte die Häuser von Buchbinder und Kern und verhörte die beiden. In den Akten wurde dieser Zugriff stets als »Aktion gegen Algerier« beschrieben. Mit dieser »Aktion« trat die staatliche Überwachung aus ihrem Wirken im Verborgenen: Aus einer passiven Observierung wurde eine aktive Operation. Den Verdacht der geplanten Anschläge konnte die Bundespolizei dadurch aber nicht erhärten. Sprengstoff wurde ebenso wenig sichergestellt wie illegale Gerätschaften. Die Verhörten wurden am selben Tag wieder auf freien Fuss gesetzt. Allerdings gelang es, genügend politisches Material zu konfiszieren, um die algerischen Aktivist*innen des Landes zu verweisen.15

Verfolgt man die Fichen-Einträge nach dieser Eskalation weiter, kollabierte das MNA-Netzwerk in der Schweiz relativ bald danach. Damit einhergehend scheinen die persönliche Kontakte der drei überwachten Trotzkisten Buchbinder, von Steiger und Kern mit algerischen Unabhängigkeitskämpfer*innen für die nächsten Jahre zum Erliegen gekommen zu sein. Keiner der fichierten Algerier hielt sich in der Folgezeit längerfristig in der Schweiz auf oder agierte dort in Sachen der MNA. Abgesehen von einigen kurzen Besuchen, meistens in Genf, blieben die Mitglieder der MNA der Schweiz fortan fern. Auch die Fichen der drei Trotzkisten weisen nun praktisch keine Nennungen mehr im Zusammenhang mit dem Algerienkrieg auf. Es lässt sich allerdings nicht abschliessend eruieren, ob der Grund hierfür auch darin liegen könnte, dass die Überwachten ihre Tätigkeiten in der Folgezeit besser verschleierten. Allerdings impliziert auch das Jahre später verfasste Selbstzeugnis von Walter Kern, dass diese erste Phase, in welcher hauptsächlich praktische Unterstützung geleistet worden war, nach der polizeilichen Aktion geendet hatte.16 Die schweizerischen Behörden erreichten also die Stilllegung der politischen Aktivitäten algerischer Aktivist*innen sowie deren Unterstützung durch Schweizer Trotzkist*innen. Doch kann nicht endgültig beantwortet werden, ob dies auf die Aktionen der Bundespolizei zurückzuführen ist, oder auf den sich ohnehin abzeichnenden Untergang der MNA.17

Für einen der ausgewiesenen Algerier endete die Episode besonders dramatisch. Youssef Lamoudi wurde ebenfalls im Zuge der »Aktion gegen Algerier« des Landes verwiesen. Gemäss der Aussage von Walter Kern in einem Interview, das Jahre nach dem Krieg geführt wurde, sei dieser in der Folge in Algerien verhaftet worden und habe durch die Hände des französischen Geheimdienstes den Foltertod erlitten.18 Gemäss der Fiche der Bundespolizei, in der ein dazu divergierender Hergang beschrieben wird, sei Lamoudi in Frankreich im Mai 1957 einem tödlichen Anschlag zum Opfer gefallen. Die Informationen, auf die sich die Bundespolizei bei diesem Eintrag stützte, stammten vom französischen Geheimdienst.19 Die Aktionen der Bundespolizei hinterliess aber auch bei den Schweizer Aktivist*innen Spuren. Kern hielt den Zugriff Jahrzehnte später in seinem autobiografischen Werk Begegnungen mit dem Teufel fest; Buchbinder machte ihn schon damals in Zeitungsartikeln und in politischen Reden publik.

Walter Kern nutzte die Episode in seiner Autobiografie als Anlass, allgemeinere Reflexionen bezüglich der Fichierungen anzustellen, und zog eine direkte Verbindung zwischen den Hausdurchsuchungen und der sogenannten Dubois-Affäre.20 Hierbei handelte es sich um die im Sommer 1957 aufgedeckte Verwicklung zwischen der Bundesstaatsanwaltschaft und dem französischen Botschaftsattaché André Marcel Mercier, der als Offizier im französischen Auslandsgeheimdienst tätig war. Gemäss dem offiziellen Bericht und den autobiografischen Angaben Kerns hatte ein Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft namens Max Ulrich während längerer Zeit Material mit ausländischen Geheimdiensten ausgetauscht, vor allem mit Mercier. Als der Bundesstaatsanwalt René Dubois von den Verflechtungen seines Mitarbeiters erfuhr, gelang es Mercier, Dubois ebenfalls als Informanten einzuspannen. Als die Verbindung aufgedeckt wurde, beging Dubois Selbstmord.21 Der gesamte Umfang des Austausches ist zwar noch nicht erforscht, umfasst aber nachweislich auch Dokumente über die Trotzkisten Buchbinder, von Steiger und Kern.22 Die von Kern angenommene direkte Verbindung zwischen der Hausdurchsuchung und der Affäre scheint dennoch fragwürdig, da die Hinweise wohl über offizielle Kanäle kamen und auch der Bundesrat darin involviert war.23

Buchbinder wiederum schilderte seine Erfahrung mit den Hausdurchsuchungen und ihren Konsequenzen in einem Artikel im Arbeiterwort, in welchem er die politisch Verantwortlichen angreift. Er kritisiert die Ausschaffung algerischer Aktivisten, bei denen allesamt keine strafbaren Handlungen festgestellt werden konnten. Auch prangert er die einseitige Positionierung der offiziellen Schweiz im Algerienkrieg und die undurchsichtigen Verbindungen der Bundesanwaltschaft zum französischen Geheimdienst an. Man erkenne zwar an, dass algerische Unabhängigkeitskämpfer*innen Attentate verübten, doch seien diese der FLN und nicht der MNA zuzuschreiben.24

Von der MNA zur FLN

Zeitgleich mit dem Abbrechen der Kontakte zwischen der MNA und den Schweizer Trotzkist*innen änderte sich auch der Kriegsverlauf. Der inneralgerische Machtkampf eskalierte und erreichte den ersten grausamen Höhepunkt. Bis ins Jahr 1958 gelang es der FLN, teilweise durch blutige Massaker, die MNA als letzte inneralgerische Konkurrentin beinahe komplett zu eliminieren. Bis zum Kriegsende überdauerten zwar einige wenige Unterstützer*innen der MNA, besonders in Frankreich, als Kriegspartei war sie in der Folge aber bedeutungslos. Dies spiegelt sich auch in den Akten der überwachten Algerier wider. Einer der letzten Einträge in den Fichen der Bundespolizei zu den Aktivisten der MNA stammt vom September 1960 und behandelt die Aktivitäten einer massiv geschwächten Gruppierung. Bereits hätten sich beinahe alle Mitglieder von Messali Hadj abgewandt und ihm ihr Vertrauen entzogen. Der Generalsekretär der MNA, Moulay Merbah, sei nun einer seiner letzten Getreuen.25 Merbah sollte erst am 17. Juli 1962 aus der MNA austreten und daraufhin nach Algerien reisen, um den Kontakt mit Mitgliedern der FLN aufzunehmen und einen Versöhnungsprozess zwischen den verfeindeten algerischen Nationalist*innen zu initiieren. Nach seiner Ankunft wurde er verhaftet, kurz darauf jedoch wieder freigelassen. In den darauffolgenden Jahren praktizierte er als Anwalt in Medea.26

Die Trotzkist*innen selbst berichteten zwischen 1958 und 1960 nicht mehr über die MNA und erst im November 1960 wurde im Arbeiterwort eine Erklärung abgedruckt: Bisher habe man stets die MNA unterstützt, weil die FLN stark bürgerliche Elemente aufgewiesen habe. Kürzlich habe jedoch in der MNA ein Rechtsrutsch stattgefunden, Messali Hadj unterstütze offen Charles de Gaulle und habe die MNA aus dem aktiven Kampf genommen. In der FLN und in der Gewerkschaft UGTA sei es derweil zu einem Linksrutsch gekommen.27 Darum würde man nun konsequenterweise die FLN unterstützen. Genauer werden die Gründe für den Richtungswechsel der Trotzkist*innen nicht ausgeführt, sie scheinen auch nicht vollständig zugetroffen zu haben und wohl mehr dazu gedient zu haben, die neuen Loyalitäten zu legitimieren. Die Trotzkist*innen suchten fortan den Kontakt zu Mitgliedern des FLN.

Abb. 4: Auf die Hausdurchsuchungen bei Walter Kern und Heinrich Buchbinder und die Ausweisung von Moulay Merbah und anderen algerischen Aktivisten reagierten die Schweizer Trotzkist*innen unter anderem mit einer Sonderausgabe des Arbeiterworts. Darin werfen sie der Bundespolizei vor, auf Anweisung der französischen Geheimpolizei gehandelt zu haben, und mit dem französischen Kolonialismus zu kollaborieren.

Walter Kern gibt an, auf einer Reise, die er 1959 nach Tunesien unternahm – dank der Vermittlung von Freunden aus der Gewerkschaft UGTA – eines der Gründungsmitglieder des FLN, Muhammad Boudiaf, getroffen zu haben.28 Kern erzählt weiter, er habe diesen damals in die Schweiz eingeladen. Da Boudiafs Bruder Moussa während des Krieges in Bern gewesen war, hätte er die Einladung gerne angenommen.29 Im Mai 1962 beherbergte Heinrich Buchbinder, auf Vermittlung von Kern, Muhammad Boudiaf bei sich.30 Allerdings bestehen berechtigte Gründe, diese frühe Verbindung von Kern zu Boudiaf zu bezweifeln. Boudiaf wurde nämlich 1956 aus einem algerischen Flugzeug heraus verhaftet und erst im Frühjahr 1962 wieder aus dem französischen Gefängnis freigelassen. Es ist also unmöglich, dass Kern Boudiaf tatsächlich bereits 1959 traf und es bleibt offen, ob es sich um eine Verwechslung des Namens oder der Jahreszahl handelt. Das Treffen im Mai 1962 dagegen lässt sich mittels der Fichen nachweisen.31 Ein Kontakt zwischen den Boudiaf-Brüdern, Buchbinder und Kern hatte also mit Sicherheit stattgefunden.

Solche Fehlinformationen im autobiografischen Werk Kerns können teilweise auch durch die Natur des Algerienkrieges selbst erklärt werden. In diesem komplexen Konflikt und mit den sich stetig verändernden Frontlinien war es äusserst schwierig, präzise Informationen zu erlangen. So findet man auch in der Berichterstattung des Arbeiterwortes fehlerhafte Aussagen. Ferner darf bei der Untersuchung des Quellenmaterials nicht vergessen werden, dass die Schweizer Trotzkist*innen nicht einfach nur Berichterstatter*innen waren. Sie hatten während des Krieges aktiv für Kriegsparteien sowie für einzelne Akteure Partei ergriffen. Bei den autobiografischen Aufzeichnungen muss zusätzlich bedacht werden, dass sie Jahrzehnte später niedergeschrieben worden waren und es daher zu Verwechslungen bezüglich Personen wie auch Daten gekommen sein könnte.

Muhammad Boudiaf selbst sollte nach dem Krieg eine Oppositionspartei gegen die FLN gründen und aus dem Land exiliert werden. Während des in den 1990er Jahren wütenden algerischen Bürgerkrieges wurde Boudiaf als Kompromisskandidat vom Militär, das mit der FLN affiliiert war, zum Präsidenten Algeriens ernannt. Nach einigen Monaten im Amt wurde er im Juni 1992 von seinem Bodyguard erschossen.

Abb. 5: Walter Kern spielte eine zentrale Rolle in der Vernetzung zwischen Algerien und der Solidaritätsbewegung in der Schweiz. Auch die Kontakte zwischen der UGTA und dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk wurden durch ihn vermittelt. Brief der UGTA an SAH Zentralsekretär Robert Risler.

Kerns Reise nach Algerien

Auch wenn die Unterstützung der algerischen MNA durch die Schweizer Trotzkist*innen gegen Ende der 1950er Jahre nachliess, nahm sie doch an anderer Stelle und vor allem dank Walter Kern und Heinrich Buchbinder zu. Wichtig wurde die Solidarität vor Ort. Kerns Solidaritätsleistungen und sein politisches Engagement basierten wiederum stark auf seinen persönlichen Kontakten. So nutzte er seine bereits angesprochenen Beziehungen zu Moussa Boudiaf sowie zum Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH), um einen befreundeten österreichischen Arzt, Dr. Willy Schöller, im Frühjahr 1959 an ein tunesisches Dorf für algerische Kriegsflüchtlinge zu vermitteln. Gemäss den autobiografischen Angaben Kerns meldete sich Schöller, nachdem er seine Zulassung in Österreich wegen vorgenommenen Abtreibungen verloren hatte, mit der Bitte bei ihm, ihn als Arzt an die Armée de libération nationale (ALN) – den militärischen Arm der FLN – zu vermitteln. Schöller hatte sich an Kern gewandt, da dieser über ein umfassendes Netzwerk an Personen des algerischen Widerstandes verfügte.

Kern riet seinem Freund aber vehement von einem Einsatz im Kampfgebiet ab, dies besonders aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Arztes. Er habe sich stattdessen um andere Möglichkeiten bemüht und sich hierfür an Moussa Boudiaf gewandt. Dieser habe wiederum mit seinem Bruder Muhammad Boudiaf in Tunis telefoniert, welcher trotz seiner Inhaftierung Mitglied der provisorischen algerischen Regierung mit Sitz in Tunis war. Da Boudiaf wohl im Gefängnis trotzdem in der Lage war, ein gewisses Mass an Kommunikation und Organisation aufrechtzuerhalten, war für Kern klar, dass über diesen Kanal eine Zusammenarbeit zustande kommen könne und die Idee sei entstanden, den Arzt an das tunesische Kinderdorf zu vermitteln.32

Im selben Jahr sei Kern von Robert Risler, dem damaligen Leiter des SAH,33 gebeten worden, einen Transport von 50 000 Franken in das erwähnte und vom SAH unterstützte Flüchtlingsdorf zu übernehmen, was nach tunesischem Gesetz illegal war. Eine Transaktion des Geldes aus der Schweiz hätte bis zu 50 Prozent Verlust gebracht. Da Tunesien dabei war, den Tourismus neu aufzubauen, sei man Tourist*innen gegenüber allerdings äusserst zuvorkommend gewesen. Dies hatte zur Folge, dass ausländische Gäste kaum Gepäckkontrollen unterzogen wurden. Kern gibt an, das Geld im Zuge der bereits angesprochenen Reise nach Tunesien im Sommer 1959 transportiert zu haben. Auf der gleichen Reise wollte er Willy Schöller treffen und das mittlerweile von ihm betreute Kinderdorf besuchen. Es sei ihm darüber hinaus gelungen während dieser Reise freundschaftliche Beziehungen zu Mitarbeitern der UGTA aufzubauen und in Tunis Muhammad Boudiaf persönlich kennenzulernen. Kern nutzte die Reise aber auch, um einen Bericht über die Zustände in Tunesien und das algerische Grenzgebiet zu verfassen. Laut Kern sei für die Algerier*innen, mit denen er sich ausgetauscht habe, offensichtlich, dass nach der Revolution nur eine sozialistische Politik das Land aus der Misere führen könne.

Abb. 6: Die Fotografie war ein wichtiges visuelles Medium, mit welchem für die Solidarität mit Algerien geworben wurde, wie hier in der Gewerkschaftszeitschrift Helvetische Typographia. Speziell die hier abgebildete Aufnahme spielte in den Algerien-Solidarität eine wichtige Rolle.

Bei aller proklamierten Nähe Kerns zum »algerischen Volk« verfällt dieser immer wieder in eine romantische Verklärung des algerischen Widerstandes. So berichtet er von angeblicher Geschlechtergleichberechtigung bei der UGTA. Die teilweise stark frauenfeindliche Einstellung in den Reihen der FLN und ihrem bewaffneten Arm, der ALN, thematisierte er dagegen nie.35 Dennoch waren der Kontakt, den Kern mit der algerischen Bevölkerung pflegte, und seine Gegnerschaft zum Kolonialismus wohl die massgeblichen Gründe, weswegen ab 1959 eine Annäherung der Trotzkist*innen an die FLN und die UGTA zustande kam.

Materielle Hilfe für Algerien

Angeblich auf Vorschlag von Muhammad Boudiaf, den Kern auf seiner Reise getroffen haben will, leitete dieser, geprägt von seinen Erfahrungen, mit Bekannten aus sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Kreisen eine Sammelaktion in die Wege. Mit fünfzig namhaften Interessierten gründeten sie das Komitee Schweiz-Algerien unter Vorsitz von Franz Rispy, einem ehemaligen Fremdenlegionär, der sich nun gegen die französische Kolonialmacht positioniert hatte.

Eine Voraussetzung zum Beitritt war, keine Beziehungen zur FLN zu haben, was einen immer noch vorsichtigen Umgang mit der FLN impliziert. Ebenso waren Behördenmitglieder von der Teilnahme ausgeschlossen, was wohl mit den Erfahrungen in Zusammenhang mit der staatlichen Überwachung zusammenhing.36

Es war vorgesehen, dass das Komitee hauptsächlich propagandistische Tätigkeiten übernehmen würde.37 Mit Bildern und Texten über den Krieg wollte man die Öffentlichkeit für die Geschehnisse in Algerien sensibilisieren. Dennoch scheint sich die anfänglich stark propagandistische Ausrichtung später zugunsten eines pragmatischen Umgangs verschoben zu haben und es kam zu Spenden sowie zum Sammeln und Verteilen von Ressourcen. Kern beschreibt etwa, dass sie mit Aktivist*innen eine Sammelaktion an der Universität Zürich organisiert hätten und so zu diversen Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und einer fast neuwertigen Röntgenmaschine gekommen seien. Mit Hilfe von Medizinstudent*innen wurde die gesammelten Waren sortiert und beim SAH gelagert. Das Arbeiterhilfswerk sorgte für die Verpackung und den Versand nach Tunesien. Die Verteilung der Hilfsgüter, oftmals Medikamentenproben, die anderenfalls entsorgt worden wären, wurde mit Hilfe des SAH und Dr. Willy Schöller, organsiert.38 Auch das Arbeiterwort unterstützte das Komitee, indem es zum Einsenden von Hilfsgütern aufrief.39

Abb. 7: Nachricht von Walter Kern an Robert Risler vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk betreffend einer Sammelaktion für Algerien.

Für Walter Kern blieben nach dem Krieg gemischte Gefühle Algerien gegenüber. Ein anfängliches Aufblühen einer sozialen und freiheitlichen Gesellschaft sei rasch wieder unterdrückt worden. Durch die Ausbeutung der reichen Bodenschätze Algeriens habe sich eine Finanzmafia bilden können, so Kern, der es gelang, die Regierung zu unterwandern und die Geschäfte zu übernehmen. Die zunehmende Verbitterung der armen Bevölkerung wurde zum Nährboden eines extremistischen Islams und als sich die FLN in den 1990er Jahren weigerte, nach verlorener Wahl die Macht abzugeben, brach der algerische Bürgerkrieg aus. Kern hat oft über das Schicksal seiner Freunde aus der UGTA nachgedacht und fragte sich, ob diese exiliert, verhaftet oder gar wie Muhammad Boudiaf ermordet worden waren.40

Die Beteiligung Heinrich Buchbinders an der praktischen Hilfe in Algerien fand erst nach Beendigung der Kriegshandlungen und zusammen mit dem SAH statt. Er half bei der administrativen Unterstützung für den Aufbau der algerischen Industrie und für die Ausbildung von Fachkräften. Auf die Details der Solidaritätsleistung von Buchbinder lässt seine Korrespondenz mit einem Comité francais préparatoire à la conférence d'assistance technique d’Alger schliessen. So wurde Buchbinder etwa aufgefordert, seine Autorität und sein Prestige in den linken Kreisen Deutschlands zu nutzen, um einige Persönlichkeiten an eine geplante Konferenz in Brüssel einzuladen.41 Die Aktivitäten des Komitees drehten sich vor allem um den Versuch, die einzelnen europäischen Solidaritätsbemühungen zu synchronisieren, wie in einem Brief an Buchbinder vom 8. April 1963 impliziert wird.

Zu diesem Zweck wurde Buchbinder für den 20. April 1963 zu einer Konferenz nach Paris eingeladen. An diesem Treffen sollte unter anderem ein europäisches Sekretariat für die Algerienhilfe eingerichtet werden und eine weitere Konferenz geplant werden. Diese sollte voraussichtlich am 27. Mai in Algier stattfinden, um mit algerischen Regierungsvertretern inklusive dem Staatspräsidenten Ahmed Ben Bella, die notwendigen Hilfeleistungen zu besprechen und ein Sekretariat als Bindeglied zwischen Europa und Algerien einzurichten, das die nötige Hilfe effizienter koordinieren sollte.42 Nach Aussagen von Freunden kannten sich Buchbinder und Ben Bella persönlich. Dies belegen auch einige Glückwunschschreiben von Ben Bella an Buchbinder, die sich in seinem Nachlass finden.43

Zu einem späteren Zeitpunkt kann keine Beteiligung Buchbinders an Aktivitäten in Algerien mehr festgestellt werden. Auch in der Berichterstattung des Arbeiterwortes verlor Algerien bereits vor Kriegsende an Bedeutung. Der Waffenstillstand und der Friedensvertrag wurden kaum noch thematisiert. Es folgten noch einige wenige Artikel über Algerien und die Machtübernahme durch Houari Boumedienne im Juli 1965 wurde noch einmal scharf kritisiert.44 Insgesamt aber scheint es, als sei Buchbinders Auseinandersetzung mit Algerien ab Sommer 1963 im Sande zu verlaufen.

Dass sich die anfänglich positive Einstellung dem algerischen Unabhängigkeitskampf gegenüber in den Jahren nach dem Friedensschluss bei den Akteuren oft verflüchtigt hatte, gar eine gewisse Resignation eingetreten war, sollte die Bewertung des Engagements nicht schmälern. Der eigenen Gefährdung und des beachtlichen Aufwandes zum Trotz bauten die Schweizer Trotzkist*innen ein beachtliches Unterstützungsnetzwerk für den algerischen Unabhängigkeitskampf auf.

Christian Futter studiert Geschichte und Osteuropäische Geschichte im Master an der Universität Zürich.

Der eigenen Gefährdung zum Trotz bauten die schweizerischer Trotzkist*innen ein beachtliches Unterstützungs- netzwerk für den algerischen Widerstand auf.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Unbekannt, Heinrich Buchbinder und Walter Kern an einer Friedensdemonstration, vermutlich 1963, Privatarchiv.

Abb. 2: Zeitungsartikel, vermutlich aus Helvetische Typographia, undatiert, Schweizerisches Sozialarchiv (SozArch), Ar. 20.971.122: Algerienhilfe (Auschnitt).

Abb. 3: Bundesfiche Heinrich Buchbinder, AfZ, NL Buchbinder, 2(V)/3(V) (Auschnitt).

Abb. 4: Titelseite, Das Arbeiterwort Jg. 12 (Sonderausgabe Juli 1956), SozArch.

Abb. 5: Briefkopf, UGTA an Robert Risler, 17.11.1962, SozArch, Ar. 20.971.122: Algerienhilfe.

Abb. 6: Titelseite, Helvetische Typographia, Jg. 101 (12.11.1959), SozArch (Auschnitt).

Abb. 7: Walter Kern an Robert Risler, undatiert, SozArch, Ar. 20.971.122: Algerienhilfe.

Literatur
  1. 1

    Vgl. Damien Carron: La Suisse et la guerre d’indépendance algérienne, Lausanne: Editions Antipodes (2013), S. 65–70.

  2. 2

    Vgl. Leo Trotzki: Verratene Revolution, Essen: Mehring (2016), S. 207.

  3. 3

    Vgl. Lucas Federer: »Aktiv Fichiert«, in diesem Band.

  4. 4

    »Guerre d'Algérie et combats en Tunisie et au Maroc«, in: Webseite des französischen Senats, http://www.senat.fr/dossier-legislatif/ppl98-418.html

  5. 5

    Abhörungsprotokoll Merbah Moulay vom 11.07.1956, Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich (AfZ), Nachlass Heinrich Buchbinder (NL Buchbinder), 2b(V) Umschlag 1956; Bericht vom 20.09.1956 (französisch), ebd. sowie Sylvain Pattieu: »The Comrades of the Brothers«, in: Ian Birchall: European Revolutionaries and Algerian Independence, 1954–1962, London: Socialist Platform (2012), S. 98–103.

  6. 6

    »Zur Weltlage«, in: Das Arbeiterwort Jg. 11 (April 1956), S. 2 sowie »Was will die algerische Befreiungsarmee«, in: ebd., Jg. 12 (Sonderausgabe Juli 1956), S. 1f.

  7. 7

    Walter Kern, »Geraubte Erde, erster Teil«, in: VPOD – Der öffentliche Dienst, 14.02.1958, S. 1f. sowie ders.: »Geraubte Erde, zweiter Teil«, in: ebd., 21.02.1958, S. 2.

  8. 8

    Walter Kern: »Soziologischer Streifzug durch Algerien, erster Teil«, in: VPOD – Der öffentliche Dienst, 24.02.1956; ders.: »Soziologischer Streifzug durch Algerien, zweiter Teil«, in: ebd., 02.03.1956; ders.: »Geraubte Erde, erster Teil«, in: ebd., 14.02.1958 sowie ders.: »Geraubte Erde, zweiter Teil«, in: ebd., 21.02.1958.

  9. 9

    »Zur Weltlage«, in: Das Arbeiterwort Jg. 10 (November 1954), S. 2 sowie »Zur Weltlage«, in: ebd., Jg. 12 (August 1956), S. 2f.; für weiterführende Überlegungen zur theoretischen Positionierung der Trotzkist*innen im Algerienkrieg vgl. Michiel van Gulpen: »Die Hoffnung in die Kolonialrevolution«, in diesem Band.

  10. 10

    Vgl. Philip Dine: »A la recherche du soldat perdu: Myth, Metaphor and Memory in the French Cinema of the Algerian War«, in: Valerie Holman, Debra Kelly: France at War in the Twentieth Century: Propaganda, Myth, and Metaphor, New York: Berghahn Books (2000), S. 144f.

  11. 11

    Personendossier Moulay Merbah, Schweizerisches Bundesarchiv (BArch), E4320-01C#1996/202#37* Massab–Marzoukri.

  12. 12

    Ebd.; Personendossier Walter Kern, BArch E4320-01C#1996/203#270* Kehr–K.G.Z. sowie Fiche von Heinrich Buchbinder, AfZ, NL Buchbinder, 2(V)/3(V).

  13. 13

    Abhörungsprotokoll Merbah Moulay vom 11.07.1956, AfZ, NL Buchbinder, 2b(V) Umschlag 1956 sowie Bericht vom 20.09.1956 (französisch), AfZ, NL Buchbinder, 2b(V), Umschlag 1956.

  14. 14

    Personendossier Moulay Merbah, BArch, E4320-01C#1996/202#37* Massab–Marzoukri.

  15. 15

    Ebd.

  16. 16

    Vgl. zum Beispiel Walter Kern: Begegnung mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 94–101.

  17. 17

    Personendossier Moulay Merbah, BArch, E4320-01C#1996/202#37* Massab–Marzoukri; Personendossier Walter Kern, BArch, E4320-01C#1996/203#270* Kehr–K.G.Z. sowie AfZ, NL Buchbinder, Kiste 2(V)/3(V).

  18. 18

    Vgl. René Holenstein: Was kümmert uns die Dritte Welt: Zur Geschichte der internationalen Solidarität in der Schweiz, Zürich: Chronos (1998), S. 56.

  19. 19

    Personendossier Youssef Lamoudi, BArch, E4320-01C#1996/202#34* La–Luwaty.

  20. 20

    Walter Kern: Begegnung mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 94–100.

  21. 21

    Vgl. Jürg Frischknecht u.a.: Die unheimlichen Patrioten, Zürich: Limmat-Verlag (1979), S. 65f.

  22. 22

    Bericht »Nationalistes algériens«, 18.07.1956, BArch, C.25. Fall Dubois/Ulrich, C.25.10 im Büro von BA Dubois erhobene Akten (französisch).

  23. 23

    »Betr. Umtriebe von Nordafrikanern in der Schweiz« 09.07.1956, AfZ, NL Buchbinder, 2b(V), Umschlag 1956.

  24. 24

    »Ein ›Algerierkomplott‹ in Zürich«, in: Das Arbeiterwort Jg. 12 (Sonderausgabe Juli 1956), S. 1.

  25. 25

    Personendossier Moulay Merbah, BArch, E4320-01C#1996/202#37* Massab–Marzoukri.

  26. 26

    Vgl. Benjamin Stora: Dictionnaire biographique de militants nationalistes algériens: E.N.A., P.P.A., M.T.L.D.: (1926–1954), Paris: Editions L'Harmattan (1985), S. 295f.

  27. 27

    »Zur Weltlage«, in: Das Arbeiterwort Jg. 16 (November 1960), S. 2.

  28. 28

    Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 124f.

  29. 29

    Ebd., S. 125.

  30. 30

    Bundesfiche Heinrich Buchbinder, AfZ, NL Buchbinder, 2(V)/3(V).

  31. 31

    Rapport der Kantonspolizei Zürich an die Bundesanwaltschaft Bern vom 29.05.1962, AfZ, NL Buchbinder, 2c(V), Dossier 1962.

  32. 32

    Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 111–113.

  33. 33

    Vgl. Findmittel SozArch, Robert Risler, http://findmittel.ch/archive/archNeu/Ar151.html (26.09.2016).

  34. 34

    Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 113–115/S. 124–131.

  35. 35

    Ebd., S. 128 sowie Martin Evans: Algeria: France’s undeclared War, Oxford: Oxford University Press (2012), S. 172–175.

  36. 36

    Handschriftliche Notiz, Komitee Schweiz-Algerien, 27.10.1960, Schweizerisches Sozialarchiv (SozArch), SAH, Ar 20.971.122, Dossier HA R. Risler Algerienhilfe, Mappe Einzelfälle.

  37. 37

    Berichtigung des Komitees Schweiz-Algerien vom 30.12.1960, SozArch, SAH, Ar 20.971.122, Mappe Algerienhilfe in der Schweiz 1959–1960.

  38. 38

    Bericht an das Komitee Schweiz-Algerien, SozArch, SAH, Ar 20.971.122 Mappe Einzelfälle sowie Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 111–113/S. 132f.

  39. 39

    Aufruf des Komitees Schweiz-Algerien, Das Arbeiterwort Jg. 16 (Dezember 1960), S. 1 sowie Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S. 132–134.

  40. 40

    Walter Kern: Begegnungen mit dem Teufel, unveröffentlicht: Zürich (Vorabdruck Februar 2008), S.129f.

  41. 41

    Brief an Heinrich Buchbinder vom 06.05.1963 (französisch), AfZ, NL Buchbinder, 21(V), Umschlag 2.

  42. 42

    Brief an Heinrich Buchbinder vom 08.04.1963 (französisch), AfZ, NL Buchbinder, 79(V), Dossier Algerien 1963/64.

  43. 43

    Diverse Dokumente, AfZ, NL Buchbinder, 79(V), Dossier Algerien 1963/64.

  44. 44

    »Zur Weltlage«, in: Das Arbeiterwort Jg. 21 (Juli 1965), S. 2.